Wo die Yoga Bewegung falsch abgebogen ist

Als ich vor nunmehr 10 Jahren meine ersten Kurse im Yogastudio besuchte, wurde mir vor allem eines immer wieder und über und über erklärt: Achte auf Deinen Körper. Schau nicht nach links, was der neben Dir kann, schau nicht nach rechts, wie weit die sich schon verbiegen kann. Bleib ganz bei Dir und geh soweit Du kannst. Natürlich wurden uns alle Posen in ihrer korrekten Form gezeigt, dazu aber auch zwei, drei Zwischenschritte, wie man dorthin kommen kann. Im eigenen Tempo und dem eigenen Körper folgend.

Ich weiß noch wie stolz ich war, als ich nach einigen Wochen beim Downward Dog die Füße komplett auf den Boden stellen konnte, wo vorher die Fersen in die Höhe ragten. Es zeigte mir: Da tut sich was. Schritt für Schritt bringt das regelmässige Üben etwas in Bewegung. Es tat gut. Und es motivierte mich dranzubleiben.

Heute wird mir Werbung für Kopfstandhocker in die Timeline gespült. Extra angefertigte Hocker, auf denen man Kopfstand praktizieren kann ohne umzufallen. Vielleicht bin ich naiv, dass ich da fassungslos bin. Denn es gibt ja jeden unmöglichsten und undenkbaren Mist zu kaufen. Aber hier stellte es mir nochmals die Haare auf. Ich erinnere mich noch an meine Übungen. Stolz hatte ich endlich die Beine oben und hielt den Körper gespannt, als mein Yogalehrer an mir vorbeiging und beiläufig “Hey Banana!” sagte, weil ich komplett schief stand. Fast wäre ich vor Lachen umgefallen. Fast. Aber es hat mir wiederum geholfen nun bei jedem Kopfstand noch einmal mehr zu hinterfragen ob ich gerade stehe und mich auszurichten. Noch mehr Fokus, noch mehr Konzentration.

Geht es nicht beim Yoga darum Körper und Geist miteinander zu vereinen? Voll und ganz im Tun zu sein, bei den Übungen, auf den Körper achten, den Körper wahrnehmen, den Geist immer wieder ins Tun zurückholen? Atmen. Fokussieren. Hier sein. Gewahr sein.

Stattdessen gibt es mittlerweile Yogakurse die Fitness versprechen und einen tollen Körper. Yoga burn, das mehr ans Fitnessstudio als an Yoga erinnert. Aber weil Yoga grad in ist, verwenden wir das Wort doch für alles, was fit und sexy macht, Frauen in zu wenig Klamotten mit glänzend-braun-muskulösen Armen und Beinen zeigt.

Es könnt mir ja egal sein, was andere unter Yoga verstehen und wie sie es anwenden. Aber ich finde es schade und in einer Zeit, in der es nur um schnelle Leistung geht, auch noch beim Yoga nur aufs Ergebnis zu schauen, auf den Kopfstand schon heute, auf das Muskelpaket in 21 Tagen, lässt in meinen Augen die Gesellschaft noch mehr in eine falsche Richtung laufen. Dabei kann Yoga doch genau das, was wir brauchen: helfen zurückzufinden zu unserem Körper, zu uns selbst. Wenn ich bei der Tree Posture nur wacklig hin- und her taumele, dann kann ich ganz schnell in meinen Kopf schauen und entdecken: Da hüpft ein crazy monkey umher und solange der hüpft, werde ich nicht still und ruhig stehen können. Das sind doch aber wesentliche Erkenntnisse auf dem Weg zu mir selbst.

Und irgendwie lag es mir am Herzen das auszusprechen.

 

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