Diese eine Lücke

Manchmal frage ich mich, um wen ich da eigentlich trauere. Trauern. Auch das ist so ein komisches Wort, das es nicht wirklich beschreibt.

Die Erinnerungen an dich sind so verblasst. So weit weg. Das Leben, das wir miteinander lebten ist viel kürzer, als das, welches ich nun schon ohne Dich lebe. Mein volles, irres wirres Leben. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, Welten entfernt ist die Zeit mit dir. Und doch waren es vierzehn Jahre, die ich an deiner Seite war. So lange wie der Große jetzt alt ist. Der, der dir so unfassbar ähnlich ist. Mich immer wieder an dich erinnert. Der Leben und Farbe in die Bilder streut, die ich von dir im Kopf habe.

Ich vermisse dich. Kann ich das so einfach sagen? Wen vermisse ich? Den Bruder, den ich hatte, als ich noch ein Kind war? Die Kindheit, die ein plötzliches Ende nahm an diesem einen Abend, an dem du dich unvorsichtig aus dem Staub gemacht hast. Staub bist du jetzt, sagt die Kirche. Was weiß die schon.

Dein Lachen vermisse ich. Und unser Lachen. Wir haben so viel gelacht. Daran erinner ich mich. Das tut gut.

Manchmal schmeckt die Trauer wie eine Erdbeere im Dezember. Dieses geschmacklose Ding, von dem man nur ahnen kann, wie es schmecken sollte. Aber so sehr man sich bemüht beim Kauen, da ist nichts. Kein süß, kein Sommer. Wenn es wenigstens versalzen wäre. Oder bitter. Irgendwas. Nein, manchmal ist da einfach diese komische Leere. Eine Lücke. Du bist eine Lücke in meinem Leben, die durch nichts, absolut nichts zu ersetzen ist. Weder das Lachen des Großen, noch das Foto über meinem Bett können diese Lücke auch nur ansatzweise schließen. Diese eine Lücke trage ich in mir, sie ist wie ein Loch, durch das man in mich hinein- und hindurchsehen kann. Manchmal zieht die Kälte dort hinein und mir wird kalt. Viel zu kalt.

Die Zeit heilt überhaupt keine Wunden. Die Zeit zerrt und zieht an den Wunden. Die Zeit stopft mit groben Fäden diese Wunden zu und dann kommt der Regen, der Winter, der Wind und reißt und peitscht alles wieder auf. Manchmal flattern die Fetzen der Wunde im Wind. Manchmal lege ich einen Schal drüber, damit ich sie nicht ansehen muss. Manchmal merke ich gar nicht, dass ich eine Wunde habe.

Egal wie ich versuche es zu begreifen, zu beschreiben. Es ist unbegreiflich. Unbeschreiblich. Und ich weiß nicht, ob ich damit die Tatsache meine, dass du nicht mehr da bist oder die, dass du überhaupt je dagewesen bist. Die größte Angst habe ich davor dich irgendwann ganz zu vergessen. Lieber vermisse ich dich. Für immer.

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