Heute war der letzte Termin der AD(H)S Austestung. Jetzt darf ich abwarten, ob die Diagnose gestellt wird. Und ehrlich wird es mir immer egalerer.
Als ich mich um diese Diagnostik bemüht habe, Termine ausgemacht habe, war ich mal wieder verzweifelt. Weil das Leben mit diesem Gehirn die ewig gleichen Kreise zieht. Ich fange was an, ich habe Ideen, ich bin voller Energie und Motivation. Da ist Zuversicht und Freude. Und ich laufe gegen Wände. (Im Übrigen mache ich das auch tatsächlich. Ich laufe so oft gegen Türrahmen. Egal.) Ich bin dann frustriert, zum Teil traurig. Verstimmt, manchmal am Boden. Bis es vorüber ist. Dann kommt die nächste Welle.
Und dieses Leben muss ich wohl so wie es ist akzeptieren. Während der Austestung, die vor allem daraus bestand unzählige Fragen zu beantworten, habe ich mich immer wieder sagen gehört: „Ja, aber es ist besser geworden.“ Sei das im Zusammenhang mit meinen Gefühlsausbrüchen oder im Bezug auf meinen Selbstwert. Auch die Impulskontrolle ist manchmal schon besser. Und ich denke, dass das daran liegt, dass ich mich prinzipiell sehr viel mit mir beschäftige und reflektiere.
Ich habe die letzten 6-10 Jahre so viel an mir selbst, an meinem Selbst gearbeitet. Gewisse Dinge werde ich nicht ändern (können), zum Beispiel diese Unaufmerksamkeit, das Abdriften im Gespräch oder bei der Arbeit, beim Lesen oder Filmschauen. Andere werden vielleicht noch besser, weil ich dran bleibe (wie eben jene Impulskontrolle und auch die Sache mit der Geduld). Manche habe ich eventuell einfach schon gut im Griff. Was ich jedenfalls gelernt habe ist, dass wir für unser Verhalten immer selbst verantwortlich sind. So oft machen wir uns selbst zum Opfer unseres Lebens, unserer Umstände, unseres Selbst. Ich kann jetzt mein Gehirn für alles verantwortlich machen und in gewisser Hinsicht tue ich das auch. Ich weiß, dass es mir einfach enorm schwer fällt, an Dingen dranzubleiben, die mich nicht interessieren, nicht begeistern. Dennoch versuche ich es natürlich da, wo es sein muss (im Arbeitsumfeld zB) und lasse es genüsslich an anderen Stellen (wenn mich Gespräche oder Themen langweilen). Ich weiß, dass ich mich wahnsinnig anstrengen muss Inhalte aus Texten zu filtern oder ein Gespräch aufrechtzuerhalten. Das sind auch leider oft die Dinge, die im Zusammenhang mit AD(H)S nicht erwähnt werden. Was aber leider die Dinge sind, die am meisten belasten.
Das Leben wird dennoch ein Auf und Ab bleiben, ich schwanke dazwischen herum und befinde mich immer wieder in der grauen Suppe, so wie heute und gestern. Da ist nichts aufregend, nichts furchtbar langweilig. Das ist so ein monotoner Einheitsbrei. Das Leben auf diese Art zu ertragen ist nicht immer leicht, mein Gehirn sucht nach Aufregung, nach Begeisterung. Das zu lassen ist eine Übung, der ich mich stelle. Mehr und mehr. Und das hilft vielleicht dabei, dass auch die Downs dann weniger werden. Wer weiß.
Und so haben wir vielleicht alle unsere Baustellen. Wichtig finde ich, wenn wir uns dieser bewusst sind und sie als Teil von uns ansehen. Wenn wir uns nicht damit entschuldigen sondern dafür, dass wir mit ihnen manchmal handeln, so dass es für andere schwer nachvollziehbar scheint. Ich mag nicht sagen „Das ist mein Brain, ich kann nicht anders.“ Ich möchte zumindest sagen können: „Es tut mir leid, das war mir in dem Moment nicht bewusst. Aber ich verstehe dich.“ Das macht einen gewaltigen Unterschied.
Gestern habe ich das Buch „Scattered Minds“ von Gabor Maté begonnen zu lesen. Noch niemand hat die AD(H)S Problematik so klar und humorvoll erklärt wie er. Ob ich die Diagnose jetzt auf dem Papier bekomme oder nicht – hier fühle ich mich wie „zu Hause“. Verstanden. Und hier hoffe ich noch Wege zu finden, wie ich besser mit all dieser Suppe umgehen kann. Und ich möchte mehr darüber schreiben, denn mein Gefühl ist, dass wir noch viel zu wenig von all dem verstehen. AD(H)S wird in den sozialen Medien derzeit sehr humorvoll dargestellt und ja, es hat seine verrückten, seine irren und auch positiven Seiten. Und was wären wir ohne Humor? (nix! nix nix nix !!!) Aber die Belastung, die für die Menschen damit dahinter steht, darüber reden wir zu wenig. Noch.