Warum schreibst du eigentlich ?

Ist ja eine berechtigte Frage, schließlich gibt es Millionen von Menschen, die nicht schreiben. Es gibt die, die sagen, sie können das gar nicht. Es gibt welche, die gar nicht drüber nachdenken. Es gibt die, die sagen sie haben das mal probiert, aber das ist nichts für sie. Es gibt die, die auf einmal mit 60 drauf kommen, dass es voll ihr Ding ist. Und es gibt welche wie mich, die einfach schon immer geschrieben haben. Gefühlt.

Ich hab deshalb auch nie darüber nachgedacht, warum ich schreibe. Das war so ein natürliches Ding, das mir sozusagen passiert ist. Ich erinnere mich noch voll total, wie ich früher in meinem Zimmer saß und Seiten über Seiten geschrieben habe. Nicht mal Tagebuch, das zwar auch hier und da, aber hauptsächlich Geschichten. Meistens habe ich dabei meinen Alltag mit Phantasie verwoben. In der dritten Klasse mussten wir mal Geschichten schreiben und ich sollte meine vorlesen. Ging aber nicht, weil ich sie selbst so lustig fand, dass ich so lachen musste, dass meine Banknachbarin die Geschichte lesen musste. Mit vierzehn hab ich meine erste Kurzgeschichte bei einem Wettbewerb eingereicht. Danach war ich Dauerschreiberin in der Schreibwerkstatt, die unsere Deutschlehrerin geleitet hat. Da war auch nichts mehr lustig. Da haben sie dann immer gesagt „Schreib doch mal was Lustiges“. Aber zu der Zeit war in meinem Leben wenig lustig. Zu der Zeit hockte fette Trauer in mir und wollte nicht angefasst werden.

Egal was war, egal wie lange ich manchmal nicht geschrieben habe, ich bin immer dahin zurückgekehrt. Habe immer wieder angefangen. Habe immer wieder alte Texte ausgegraben und daran weitergeschrieben. Und so ist es heute noch.

Am meisten fasziniert es mich, wenn ich mich in eine Szene hineinversetzen kann. Wenn ich so ganz weg bin, ganz woanders. Wenn ich alles mitfühle und beschreiben kann. Und das nicht nur einfach so, sondern mit Formulierungen, die Spaß machen. Mit Bildern und Metaphern. Ich liebe es Gefühle zu beschreiben, ohne sie zu beschreiben. Dafür muss man halt überlegen, wie sich eine Frau fühlt, die gerade erfahren hat, dass ihre beste Freundin gestorben ist. Wie sich jemand körperlich fühlt, der sich übergeben muss. Wie es sich anfühlt, einen Menschen plötzlich als den zu sehen, der er wirklich ist und nicht als den, für den man ihn jahrelang gehalten hat. Ich muss dann genau hinspüren, was jemand sagen würde und was nicht, wie jemand körperlich reagiert auf etwas, was ein anderer gesagt hat. Das macht so Spaß und wenn es gelingt, ist das ein riesiges Geschenk.

Ich liebe es leider auch mir immer neue Geschichten im Gehirn zu erspinnen. Dafür braucht es manchmal nur eine Situation, die ich weiterspiele. Es braucht nur einen Alltagsmoment, den ich ausdehne und aus dem ich Lebensgeschichten forme, die mit mir nichts zu tun haben. Und natürlich kann ich meine eigenen Wünsche, Bedürfnisse, Träume einschreiben. Ich kann mich wo hinschreiben, wo ich unbedingt sein will, ich kann mich in Momente hineinschreiben, die ich vielleicht gern erleben würde. Ich kann mir meine eigene Phantasiewelt bauen und ich bin jedesmal aufs Neue begeistert, wie sehr man fühlen kann, was man sich einzig und allein im Kopf ausmalt. Der Körper ist ein total verrücktes Ding. Leider fallen mir die besten Geschichten dann ein, wenn ich gerade an einem Projekt anstehe. Und dann will ich sofort das Neue, viel spannendere anfangen. Was natürlich dann auch nur bis zu diesem einen Punkt kommt…. Das ist derzeit mein Dilemma. Aber es soll ja schlimmere Dilemmen geben im Leben. Oh, ein Reim!

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