Roboter

Manchmal fühle ich mich wie das einzige wabernde Wesen unter Robotern.

Heute war ich beim Zahnarzt. Die Hölle für mich, aber gut, ich habe aus der Erfahrung gelernt und weiß, dass das Aufschieben von Zahnarztkontrollen in der eigentlichen Hölle endet. Also gehe ich nun brav regelmässig dort hin und lasse in meinen Mund schauen. Ich empfinde das übrigens als höchst intimen Einblick in mein Wesen, was vor allem daran liegen könnte, dass ich nicht sonderlich stolz bin auf den Fleckenteppich in meinem Mund. In der Hoffnung, dass der Zahnarzt bereits viel Schlimmeres gesehen hat, erlaube ich ihm den Ein- und Durchblick. Heute endete der überraschenderweise mit einer kleinen kariösen Stelle, die geflickt werden sollte und der Entfernung von Zahnstein. Herr Doktor und seine Gehilfin legten also los, schoben mir unterschiedlichste Gerätschaften in den Mund, spritzten Wasser, saugten (zu wenig) ab, hakten, kratzten und bohrten herum. Ohne Worte. Ein „gleich haben wir’s“ würde mir helfen, denke ich. Oder auch mal ein kurzes „Wollen Sie mal ausspülen?“. Ist ja alles eine abartige Angelegenheit. Aber nein, sie werkeln herum, ich versuche zu atmen, an die letzte Folge von LOL zu denken, an Bastian Pastewka mit der Pfeife im Mund, an Max Giesingers Blick, wenn er krampfhaft versucht, nicht zu lachen. Aber das Surren des Bohrers ist lauter.

So oft im Leben sehe ich Situationen, wo ich nur parallel beteiligt bin und denke mir: „Wenn du das so sagen würdest und nicht so…“ oder „Jetzt wäre ein Danke und ein Lächeln so weitreichend…“ . Ich will hier gar nicht prahlerisch wirken, auch ich habe schlechte Tage und bin nicht immer das grinsende Honigkuchenpferd. Aber die anderen können ja nichts für meine schlechte Laune, also haben sie die auch nicht abzubekommen.

Ein schönes Beispiel ist ja auch immer der Flughafen, wo ich im Sommer wieder großartige Beobachtungen machen durfte. Da stellen sich ganze Familien direkt vorn ans Gepäckband und warten auf ihre Koffer, versperren dabei nicht nur den Zugang, sondern auch die Sicht für andere. Wenn sich alle einen Meter davon entfernt… ach. es ist dieses „Ich ich ich und zwar zuerst!“ – Denken, was mich so wahnsinnig auf die Palme bringen kann, aber auch müde kopfschütteln lässt. Das Gehupe der Autofahrer am Morgen, die dadurch auch nicht schneller ans Ziel kommen. Es ist so eine – manchmal für mich unerträgliche – Panik in den Menschen, eine Angst zu kurz zu kommen, unfair behandelt zu werden, nicht genug zu bekommen.

Jetzt wollte ich ein Beispiel aus der Schule des Sohnes bringen. Aber das landet vermutlich über Umwege bei genau dem Lehrer, also halte ich die Klappe. So oft halte ich die Klappe. Weil ich unnötige Auseinandersetzungen vermeiden will. Weil ich was sehe, es mich aber nichts angeht. Weil ich vielleicht auch nicht gut mit dem Umgehen kann, was dann danach auf mich zukommt. Ich beobachte also weiter uns Menschen, halte die Klappe, denke mir Dinge. Gesund ist weder das eine noch das andere.

Dem Zahnarzt sage ich „Danke“ und wünsche ihm noch einen schönen Tag, er blickt dabei kaum vom Computer auf, wo er meine Behandlung vermerkt. Roboter. Er. Und ich für ihn. Der restliche Tag schmeckt nach Dentalwasser.

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