Aus der Schreibwerkstatt :: Zwischen Häfen

Impuls: zwischen alt und neu, auf neuen Wegen, den sicheren Hafen hinter sich lassend

Die letzten Monate waren durchtrieben vm Planen, von Aufregung und Vorfreude. Keine Zweifel, keine Angst. Nur ein innerer Trieb, den sie so noch nie erlebt hatte.
Doch je näher der Tag rückte, das Gehen, das Neue, umso mehr bekam sie zu spüren, was sie nicht wahrnehmen wollte. Traurigkeit, Verlassenheit, Angst und ein dunkles Loch im Kalenderblatt der anderen.
Ein letzter Dienst an der Bar. Abschied von zweiten Wohnzimmer. Das letzte gezapfte Bier, das schäumend ins Glas läuft. Geräusch der Erinnerung. Die Schürze, die sie abnimmt und ordentlich zusammengelegt in den Koffer packt. Ein Souvenir des zweifelhaften Glücks. Die Abschiedsfeier, die sie nicht gewollt hatte. Geschenke, die ihr das Herz beschwerten, zerbrachen. Und seine endlosen Tränen voller Verzweiflung und Angst, die sie nicht trocknen konnte, nicht auffangen wollte.

Und nun stand er hier auf dem Deck der Fähre und strahlte sie an. Und sie strahlte zurück und war glücklich und wütend zugleich. Umarmte ihn und lachte und trommelte innerlich mit den Fäusten auf ihn ein. Sie bremste Gedanken und Gefühle, um wieder einmal ihn zu schützen. Und sich. Denn sie war nicht gegangen und hatte gehofft, dass das große Gehen, die Abfahrt, ihr die Aufgabe nehmen und seinen Schmerz lindern würde. Immer weiter war sie gegangen und bis hierher gekommen. Und nun war er wieder – immernoch – da. Überraschung nannte er es. Und sie lächelte verfroren. Und die Ängste und Trauer, die sie nie gespürt hatte, die hier oben auf dem Deck, unten im Hafen und draußen auf hoher See schon bereit und scharf gespitzt auf sie warteten, mussten abtauchen und zurück in die Höhle der Zurückhaltung kriechen. Denn sie musste weiter spielen. Weiter ihre Vorfreude schlucken und den Teil der Reise, der wohl am gefährlichsten für ihr Herz war, halbfröhlich und unecht durchsegeln.

Drei lange Tage versank sie in dieser Zwischenwelt. War weder hier noch da. Zwischen Hafen und Hafen dem Treiben der See ausgeliefert. Konnte nicht sein und nicht werden. Und erst, als das Auto endgültig um die Kurve bog, sein gequältes Lächeln zum letzten Mal erschien und dann verschwand, da war sie da. Angekommen. Und wusste nicht, was das hieß. Weil sie keine Zeit gehabt hatte, sich darauf einzustellen. Und sie taumelte. Er hatte ein Stück Boden mitgenommen. Der Hafen wackelte. Das Schiff segelte schwankend davon.

Und sie spürte die Trauer aus ihrem Versteck kriechen, verpackt in Geschenken und Souvenirs der neuen Vergangenheit, klappte schnell den Deckel des Kartons wieder zu und ging hinaus. Hinaus in das Neue, von dem sie nicht mehr wusste, was es war, sein und werden sollte.

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