Neulich war ich kurz glücklich

Am Mittwoch erinnerte ich mich, dass ich ja für meinen Grafikkurs noch eine Monatsaufgabe einzusenden hatte. Ich stöhnte. Ich war krank und müde, zu träge für irgendwas. Aber ich hatte schon die vom Vormonat nicht geschafft, 6 von 12 muss ich aber einbringen und gleich am Anfang alle sausen zu lassen, das wollte ich nicht. Also setzte ich mich hin und begann die Aufgabe im Skizzenmodus zu bearbeiten.

Ich schnipselte Papiere aus Zeitschriften und bastelte Farbcollagen. Das war mühsam und zäh. 2x2cm kleine Papierfutzel klebten an meinen Fingern, und wollten nicht dahin gleiten, wo ich sie haben wollte. Das ein oder andere Fluchwort stolperte über meine Lippen.
Nun, gleichzeitig gab es ja die Möglichkeit das auch am Computer zu machen, ich traute nur meinen geringen Softwarekenntnissen diesbezüglich noch nicht und verzagte einen Moment. Eine ganze Nacht.

Am Donnerstag lag ich noch immer krank auf dem Sofa und dachte mir: Versuchs. Du hast ja Zeit. Also öffnete ich Illustrator und legte los. Ich suchte Farben und Fotos im Internet zusammen, zerstückelte sie und fügte sie im Illustrator in kleine quadratische Kästchen. Ich schob und probierte am Bildschirm, bis mir die gesamte Farbkomposition gefiel. Ich tauchte ein in eine Welt von Farben und meinen Assoziationen dazu.

Am späten Nachmittag hütete ich die Kinder und das der Nachbarn dazu. Und plötzlich merkte ich wie mich ein zittriger Hunger überkam. Das Gefühl kannte ich. Zu gut. Es war höchste Eisenbahn etwas Essbares zu finden. Schokolade. Käse. Wurst. Chips. Was auch immer und am besten alles durcheinander. Aber schnell. Solche Heißhungerattacken habe ich schon immer mal gehabt. Meistens dann, wenn ich vergessen hatte zu essen, zwischendurch nur ein Brot den Weg in meinen Magen fand weil zu wenig Zeit war für mehr. Aha, dachte ich. Zu wenig Zeit. Stimmt. Ich hatte nichts getan als auf dem Sofa zu sitzen und im Illustrator herum zu klicken, Farbquadrate umherzuschieben und mich mit meinem inneren Kritiker zu unterhalten. Ich war eingetaucht und komplett abgesunken im Tun, ich hatte einen Flow erreicht wie seit Wochen, seit Monaten nicht. Und es hatte Spaß gemacht, unendlich viel Spaß. In dem Moment spürte ich es. Ich war glücklich. So richtig glücklich. Nicht über den Hunger und auch nicht über das Stück Käse, dass hier gerade direkt nach einem Stück Schokolade seinen Weg in meinen unterzuckerten Körper fand. Aber über die Tatsache, dass ich mal wieder so richtig beschäftigt, versunken und selig im Tun war. Ich ahnte in diesem Moment, dass das etwas sein könnte, das sich hinter der großen grauen Tür verbirgt, die sich seit Monaten vor mir herschiebt. Die Tür, von der ich nicht weiß, wann sie sich öffnen und was sie offenbaren wird. Aber ich kostete einen Hauch von leiser Vorahnung und Vorfreude darauf, dass es gut sein würde. Das es unfassbar gut schmecken würde und mich noch öfter glücklich machen würde. Und dass es gut war einfach nur geduldig (oder auch mal ungeduldig) zu warten und zu vertrauen, dass all das so geschehen würde, wie es sein soll. Wäre ich nicht krank gewesen und leicht gedämpft so wäre ich vielleicht freudigst in die Luft gesprungen. Na gut, innerlich habe ich das auch gemacht. Dann habe ich die Nachwehen der Heißhungerattacke qualvoll ertragen – denn überraschenderweise vertragen sich im Nachhinein all die wahllos, zitternd und eilig in den Mund gestopften Lebensmittel nicht soooo gut miteinander. Aber ein Lächeln blieb.

Es sind diese Momente, die das Leben so berauschend und lebenswert machen. Und ich freue mich auf mehr davon. Wir können sie nicht immer einfach so herbeizaubern. Wir können sie nicht einfach so konstruieren, wann es uns grad passt. Aber wenn sie da sind, dann können wir sie auskosten und in ihnen baden, bis das Wasser kalt ist und die Haut schrumpelig. Und noch einen Moment länger. Einfach nur, weil es gut tut. So unfassbar gut.

Schreibe einen Kommentar