Ängste

Heute morgen bin ich um 6 Uhr in den Keller gefahren, um die Wäsche aus dem Trockner zu holen. Ja, ich war gestern Abend ein bisschen zu faul dazu. Aber vor allem zu ängstlich. Denn: Ich habe Angst im Dunkeln.

Diese Angst ist in den letzten Jahren etwas weniger geworden. Früher war es für mich ein Alptraum, wenn ich allein in der Wohnung sein musste. Wenn meine Mitbewohner:innen in den WGs nicht da waren und ich ganz allein. Ich habe es gehasst. Mittlerweile kann ich ganz gut allein sein. Nur hatte ich neulich einen Alptraum, einen richtig fiesen, so mit Aufwachen und Herzrasen und totaler Panik. Ich hatte von diesem norwegischen Massenmörder Breivik geträumt. Der war hinter mir und einer Unmenge von Leuten her. Ja warum, warum??? Das wüsste ich auch gern. Jedenfalls sehe ich seitdem überall im Dunkeln seine Visage. Ich musste neulich sogar mein Fahrrad mit in den 5. Stock nehmen abends, weil ich mich nicht getraut habe, es in den Fahrradraum zu bringen. Weil es dunkel war. Dem Lift sei Dank!

Heute früh also fuhr ich in den Keller und holte die Wäsche. Ich hatte sogar meine Kaffeetasse dabei. Und dann stellte ich fest, dass es um 6 Uhr noch genauso dunkel im Keller ist, wie abends um neun. (Wir haben im Untergeschoss Räume mit Fenster zu einem tiefliegenden Hof, deshalb ist es dort tagsüber nicht stockfinster wie in manchen Kellern). Und da musste ich lächeln. Ist es nicht absurd, dass ich mich abends um neun fürchte, aber morgens um sechs nicht? Es war einfach ein Gefühl von: Es ist Tag, da kann mir nichts passieren, auch nicht im Dunkeln. Ich hätte nicht einmal daran gedacht Angst zu haben.

Ängste sind ja wirklich manchmal irrational. Aber dass sie so abstrus wirken im Kopf, das war mir bis dahin nicht bewusst.

Gerade sitze ich im Büro und blicke aus dem Fenster. Die Sonne scheint und der Himmel ist blau. Eine kleine Wolke zieht vorüber. Es könnte jetzt gut zwanzig Grad sein da draußen und warm. Und wenn ich mir das einbilde, kann ich es fühlen und ein Hauch von Frühling überkommt mich. Wenn ich mich aber erinnere, wie sehr ich gefroren habe auf dem Weg ins Büro, als es auch noch geregnet hat, dann sehe ich auch draußen, wie kalt es wirklich ist. All das macht der Kopf. Nur der Kopf. Verrückt.

Wenn der Kopf so eine Macht über uns hat, können wir ihn nicht dahin trainieren, dass er uns schöne Bilde zeichnet? Warme Bilder. Helle Bilder. Liebevolle Bilder. Klar können wir das, aber wer hat die Macht über unseren Kopf? Wir selbst. Wir haben immer die Wahl zu entscheiden, welche Bilder wir festhalten oder welche wir tatsächlich wollen. Radieren, Kritzeln, Neuzeichnen. Alles möglich. Es ist eine Frage der Übung. Es ist Arbeit. Es ist teilweise wirklich anstrengend, weil viele Bilder tief eingeritzt sind. Eingraviert. Aber auch die, auch die können wir übermalen wie ein Bild, dem wir eine neue Schicht Farbe auftragen. Immer wieder. Immer mehr.

Ob mir das abends gelingt, wenn Breivik sich wieder in meinen Kopf drängt? Ich versuche es. Immer wieder. Ich schüttle ihn ab, suche nach anderen Bildern, nach schönen Dingen oder gar lustigen. Den lachenden Sohn, die Tochter, die nachts im Traum neben mir laut lacht, den großen Sohn, der sich über seine Donal Duck Comics totlachen kann. Mal sehen, was gelingt und wie.

Welche Ängste hast du und wie rational sind die? Gibt es Momente, in denen du über sie lachen kannst?

Schreibe einen Kommentar