Brieffreunde gegen Einsamkeit ?

Seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema Freundschaften. Also speziell mir und meinem Problem damit gute, wirklich echte und verbundene Freundschaften aufzubauen. All die, die ich mir im Leben bis dato erschaffen habe, wohnen sehr weit weg. Und in Wirklichkeit sind das genau zwei. Zwei Menschen, die mich blind verstehen, denen ich zutiefst vertraue. Mit denen ich viel verbinde. Eine 800, eine 8000km weit weg. Verschiedene Zeitzonen und Lebensstile dazwischen. 

Doch hier im Alltag mit drei Kindern, in meinem echten und dahinrauschenden Leben fehlen mir genau diese Menschen. Da fehlen Freunde, denen ich schreiben kann, denen ich von mir aus sagen kann, was mich beschäftigt. Und für die ich da sein kann. Mich brauchbar und wertvoll fühlen kann.

Viele mögliche Ursachen habe ich mir mein ganzes Leben lang schon überlegt. Zu schüchtern. Sozial inkompatibel. Smalltalkunfähig und somit nicht in der Lage über einen Anfang tiefer zu gelangen. Komisch. Merkwürdig. Je mehr ich an und mit mir arbeite, umso mehr merke ich jedoch, dass das alles keine negativen Eigenheiten sind. Sondern dass das ich bin und dass ich so auch okay bin. Aber das hilft mir nicht beim Thema Freundschaften. Denn ich kann mich annehmen wie ich will – ich weiß noch immer nicht, wie ich Menschen finden kann gegen meine immer wieder auftauchende Einsamkeit. Gegen diese innere Einsamkeit. Denn das Leben in einem Wohnprojekt sorgt dafür, dass ich niemals allein bin. Aber doch oft einsam. Das Wort Verbundenheit tauchte vor einigen Monaten schon auf und ich merkte: Das ist es. Das ist es, was mir fehlt.

Heute stolperte ich dann über einen Artikel zum Thema Introvertiertheit. Ach, einer von denen, dachte ich. Aber ich las hinein, obwohl ich mich längst gut damit abgefunden habe, dass ich „so eine“ bin. Und dass ich das gern bin. Doch dann las ich wesentliche Erkenntnisse:

„Introvertierte sind vorsichtiger, streben mehr nach Bedeutung und Tiefgang im Denken und Kommunizieren, bleiben länger bei einer Sache, hören besser zu, benötigen mehr Ruhe, denken analytischer und planen strukturierter. Sie sind autonomer, kommunizieren lieber schriftlich und versetzen sich leichter in andere hinein. Dafür ist ihr Handeln öfter von übertriebener Vorsicht blockiert, sie verlieren sich leichter in Einzelheiten, sind schneller von Eindrücken überfordert, verharren in Situationen, auch wenn dies negative Auswirkungen für sie hat, ziehen sich schneller zurück, überschätzen den Verstand, verleugnen eher ihre eigenen Merkmale und Bedürfnisse, sind mehr auf Gewohnheiten angewiesen, vermeiden Kontakte, weshalb sie sich in die Gefahr sozialer Isolation begeben und scheuen Konflikte.“

Da kamen sofort Tränen auf. Denn all das bin so ich. Und all das ist Grund dafür, warum ich mich manchmal so furchtbar einsam fühle. Warum ich es nicht schaffe, mich „einfach so“ bei Menschen zu melden, auch wenn die das vielleicht für okay halten würden. Warum ich lieber lange Emails tippe und ins Nirvana schicke. Warum ich dann endlos auf Antworten warte und verharre. Warum ich mich schnell zurück ziehe oder eben gar nicht aus mir heraus komme. Ich würde das ja gern mal ändern, aber ich habe mein Leben lang versucht diese Dinge zu ändern. Ich glaube auch, dass es besser geworden ist. Ich kann mich schneller auch mal auf Fremde einlassen, sogar etwas Smalltalken. Aber es strengt mich an und ich bin eher ganz ich wenn ich so sein kann wie oben beschrieben.

Heißt das nun, dass ich mein Leben lang einsam sein muss? Dass ich nur hoffen und warten kann, ob ich Menschen begegne, zu denen eine verbundenere Freundschaft möglich ist und sich auch entwickeln wird? Hier in meiner Nähe? Denn es ist ja nicht so, als würde ich nicht solchen Menschen begegnen. Aber diese sind eben oft gut verwurzelt, die haben ihre Freunde, sind sozial verankert und „brauchen“ mich nicht. Und manchmal fühlt sich das an wie eine nichterwiderte Liebe. Da vermisse ich Menschen, die eigentlich noch gar nicht so richtig in meinem Leben drin waren.

Oder sollte ich mich ganz und gar auf Brieffreundschaften oder Emailfreundschaften einlassen? Ich sehe das sogar ernsthaft als mögliche Alternative, da ich ja sowieso gern schreibe und es liebe wenn Antwort im virtuellen oder echten Postfach eintrifft. Das ist für mich mindestens so wertvoll wie ein gutes Gespräch und es fällt mir leichter, weil ich nirgends anrufen muss. Aber wo finde ich diese Menschen, die da genauso ticken? Und letztendlich – so ein richtig gutes Gespräch, ein gemeinsames Schweigen, bauchwehreifes Lachen miteinander – das fehlt einfach.

Es ist verhext. Aber gerade in Zeiten wie diesen, in die schwierig und turbulent für mich sind, wären solche Menschen eine große Hilfe und Unterstützung.

Habt Ihr Tips? Wie macht Ihr das, Ihr Menschen da draußen? Habt Ihr all diese Freunde? Seid Ihr gut aufgehoben und gehalten in Eurem Leben? Getragen von mehreren Händen und andere haltend? Ich bin wirklich interessiert, weil es mich nun schon so lange beschäftigt.

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