Leben in zwei Welten

Seit der Trennung vor nun 2 Jahren lebe ich in zwei Welten.

Da ist die Welt mit den Kindern. Der Alltag. Das Bunte. Das Laute. Das Wilde. Das Unberechenbare. Frühes Aufstehen und Funktionieren müssen. Reagieren müssen. Auf spontanes Kranksein. Auf diverse Bedürfnisse (selten meine). Auf Emotionen von allen. Lachen und Weinen.

Ich liebe diese Welt. Sehr. Denn ich liebe meine Kinder. Noch viel sehrer. Wenn ich in dieser Welt bin, dann bin ich dort mit vollem ganzen und dem weitesten und offensten Herzen überhaupt. Da bin ich da. Voll und ganz. Aber nicht ganz ich.

Und dann ist da die andere Welt. Die leise. Die, in der ich viel allein bin. Mit mir selbst. Umgeben von der Stille und dem Rauschen meiner Gedanken. Mich selbst immer wieder suchend und neu findend. Hier agiere ich mehr aus mir heraus. Und beobachte. Meine Emotionen. Mein Empfinden. Meine Bedürfnisse. Mein Sein. Da bin ich nicht ganz. Aber ich.

Heute ist ein Tag in zwei Welten. Aufgewacht allein gehe ich mit drei kleinen Nasen heute Abend schlafen. Da ist Vorfreude. Da spüre ich das Glück, diesen drei eine Mutter sein zu dürfen. Ich höre im Büro schon ihr Lachen und ihr Rufen. Da werde ich heute noch den ganzen Nachmittag “Papa… äh… Mama…” genannt und sie erzählen und plaudern und finden sich auch wieder ein in meiner unserer Welt.

Wenn sie von mir weggehen für ein Wochenende beim Papa ist das immer wie ein Sturm, der in mir tobt. Ich freue mich auf die Zeit mit mir selbst und möchte sie dennoch nicht loslassen. Es tut weh, sie gehen zu sehen, zu wissen, dass sie das auch nicht immer leicht und lustig finden. Es tut weh, dass sie die Kinder in dieser gesellschaftlichen Schublade sind. Die mit den getrennten Eltern. Scheidungskinder. Weil in unserer Gesellschaft die kleine heile Kernfamilie noch immer das Nonplusultra ist. Ich weiß, dass sie keinen absoluten Schaden davontragen werden, dass es sie stärken kann und sie viel daraus für ihr späteres Leben in Beziehungen und in ihren eventuellen eigenen Familien lernen können. Dennoch ist der Schmerz da und der darf auch sein. In ihnen und in mir.

Und dann schwinge ich mich oft auf mich ein. Da ist diese innere Stille. Dieses wohlwollende Alleinsein, zu dem sich manchmal Einsamkeit gesellt. Da ist der Stress unbedingt jede freie Minute sinnvoll zu nutzen, mir Gutes zu tun und all die Dinge, zu denen ich sonst nicht komme. Und dann kommt die ruhige Stimme, die sagt: Entspanne. Lass gut sein. Genieße und erhole Dich. Denn der Körper zeigt mir ebenfalls, in welchen Welten ich mich bewege. Der Rücken, der nur schmerzt, wenn ich in der Kinderwelt bin. Der klare Geist, der mich sehen lässt, wenn ich allein bin und Stille genieße.

Mehr und mehr checke ich bei mir ein, komme bei mir an. Etwas, was mir in den letzten Jahren gefehlt hat. Ich glaube, wenn wir Mütter nicht wirklich gut bei uns sind, bevor wir Kinder bekommen, dann ist es das, was uns so oft an die Grenzen bringt und uns verzweifeln lässt. Dieses Nicht bei uns sein und nicht wissen, wer wir sind neben dem Muttersein. Denn so erfüllend und wunderschön es ist, es ist nicht alles. Wir sind mehr. So viel mehr. Und ich wünsche mir, in beiden Welten gut beides sein zu können. Beide Welten vereinen zu können. Es wird noch dauern. Das ist okay, alles ist ein Prozess, der seine Zeit braucht.

Aber ein kleines Stück von der Nadine aus der Ich-Welt nehme ich mir heute wieder mit in die andere. Und zeige sie den Kindern. Denn mein Wunsch ist es, dass nicht nur ich mich kennen- und lieben lerne, sondern dass auch meine Kinder diese Nadine, diese Mama erleben, die so ganz sie selbst ist. Damit auch sie ganz sie selbst sein können und sehen, wie das ist. Volle Kanne leben. Das wünsche ich mir für uns alle.

Und was freue ich mich drauf, die drei heute in den Arm nehmen zu können. Meine drei. Es ist Liebe. Und manchmal reicht die für alle Welten und das ganze Universum.

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