Gestern war ich shoppen. Also so richtig. Und wieder auch nicht. Ich war auf einer der großen Einkaufsstraßen Wiens unterwegs, wollte in die Geschäfte und die Klamotten anfassen, anprobieren. Konkret brauche ich wirklich dringend Oberteile für den Sommer, weil meine alten schon… recht alt sind und Löcher haben. Ich war auf der Suche nach etwas, in dem ich mich wohl fühle, das schick aussieht, nicht übertrieben schick, aber eben schön. Weiblich. Elegant, aber alltagstauglich. Schlicht.
Nach drei Läden war ich komplett fertig. Ich war umgeben von zu vielen Menschen auf zu engem Raum, hatte zu viele Kleidungsstücke berührt, betrachtet, anprobiert, weggehängt. Ich war vor Umkleidekabinen in Warteschlangen gestanden. Ich hatte Stoffe in der Hand, die sich nach Plastiktüte anfühlten, hielt Kleidungsstücke an, die wie Kostüme an mir aussahen. Und am Ende fragte ich mich: Was stimmt mit mir nicht? Warum finde ich nichts?
Doch im nächsten Moment fragte ich mich: was stimmt mit dieser Welt nicht? Warum hängen in jedem Laden so unzählige Kollektionen und Variationen ein und desselben Kleidungsstückes? Brauchen wir wirklich so viel? Hier ein Sale, da ein Sonderangebot, dazwischen haarsträubende Preise. Und von allem viel zu viel zu viel.
Am Ende landete ich in einem Laden, in dem ich schon öfter war und kaufte eine Hose, die ich schon besitze, die aber allmählich ausgedient hat. Als ich dann auf dem Heimweg die Menschen um mich herum betrachtete, sah ich so viele verkleidete Männer und Frauen. Die wirkten wie Puppen in Kleidung, die sie tragen, weil sie grad modern ist. Weil man das so trägt. Die an ihnen hängt oder klebt, aus ihnen Figuren macht, die sie nicht sind. Brauchen wir wirklich ständig neues? Neue Mode, neue Stile, neue Kombinationen? Ich erinnere mich an meine Jugend, in der ich keine Ahnung hatte, wer ich war und wer ich sein wollte. Ich trug so viel Zeug, in dem ich mich nicht wohl fühlte, einfach weil es modern war. Weil es andere trugen und es an denen gut aussah. Wir orientieren uns so sehr im Außen. Nicht nur, was die Kleidung anbelangt.
Wir essen, was uns im Supermarkt angeboten wird und nicht das, wovon wir merken, dass es uns gut tut oder wirklich schmeckt, dass es uns nährt anstatt uns zu stopfen. Seitdem ich das Wildfit Programm mitgemacht habe, wird mir das immer bewusster. Die Supermärkte könnten halb so voll sein, es würde immernoch genug geben, von dem wir satt werden würden. Das meiste ist künstlicher Mist, Zucker, in Unmengen hergestellte Kunstnahrung. In Plastik verpackt. Und wir kaufen das alles.
Wir lassen uns auf den sozialen Medien einreden, was gut für uns ist. Welche Rituale und Gewohnheiten und wie wir sie erreichen. Es wird uns gesagt, wie wir am besten an unser Ziel kommen. Und das von Menschen, die unsere Ziele gar nicht kennen. Wir kennen sie ja selbst kaum, wir sind so sehr im Außen und verlieren uns selbst aus den Augen. Wir machen mit, weil alle mitmachen. Haben wir aufgehört zu hinterfragen, oder haben wir das nie getan, nie gelernt?
Je mehr ich diese Welt betrachte, die unsinnige Werbung an jeder Straßenecke, Schilder, Poster und Plakate an jedem freien Fleck, desto verzweifelter werde ich. Was passiert da mit uns? Wieso machen wir das alles mit? Wie können wir uns zumindest einem Großteil von all dem entziehen und wieder zu uns zurückkehren? Darauf hören, was uns wichtig ist, darauf achten, was uns gut tut.
Ich bin müde von dieser Welt. Müde von all den vielen Entscheidungen, die uns aufgezwungen werden. Ich bin müde davon, dass es mir scheinbar unmöglich ist, drei Oberteile zu kaufen, in denen ich den Sommer ertragen kann, ohne dass etwas zwickt, kratzt oder aussieht, als wäre ich einem Wes Anderson Film entlaufen. Ich bin müde davon, dass wir sehenden Auges auf diesen Abgrund zurasen und die Bremse nicht finden. Dass wir immer glauben das noch und das noch und das noch zu brauchen, uns gleichzeitig beschweren, dass wir zu wenig Geld haben. Wir stopfen unsere emotionalen Löcher mit Dingen und reißen damit andere auf. Ich kann seit gestern nicht aufhören, darüber nachzudenken. Fassungslosigkeit. Und unendliche Müdigkeit.
Und wieder und wieder die Frage: Was brauchen wir wirklich? Wir stellen sie uns viel zu wenig.