Tag 24 – Tür ins Nichts

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  • Beitrag veröffentlicht:November 27, 2018
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Der Spaziergang hatte sich hingezogen. Sie war müde. Nach jeder Abbiegung hoffte sie das Dorf zu sehen, doch es ging immer nur weiter. Immer tiefer ins Land hinein. Sie hatte den Blick auf den Weg gerichtet. Sie lauschte den Gesprächen in ihrem Kopf. Hörte alte bekannte Sätze. Sie beobachtete ihre Schritte. Verfiel in meditatives Wandern. Als sie den Kopf wieder hob sah sie eine Tür. Eine Tür mitten in einer Landschaft. Als wäre das Haus rundherum umgefallen, hätte sich in Luft aufgelöst und alles, was noch dastand, war diese Tür. Rechts und links ging ein Zaun ab. Ein absurder Zaun, der so niedrig war, dass man darüber hätte springen können. Wozu also diese Tür?
Dennoch war sie fasziniert. Eine Tür im Nichts. Eine Tür ins Nichts. Scheinbar. Sie ging näher. Der Weg unter ihr wurde holpriger. Die Landschaft hinter ihr nebliger. Ganz dicht stand sie vor dem Holzrahmen und ihre Hand streckte sich wie von selbst zur Türklinke. Einfach drücken. Einfach hindurchgehen und der Absurdität dieser Tür ins Auge blicken. Sie sah ihre Finger, wie sie sich ausstreckten. Wie sie die Klinke umschlossen. Und wie sie diese nach unten drückten.

Plötzlich wurde es dunkel. Die Welt um sie herum verschwand und es wurde laut. Sie hörte eine Stimme, als wäre sie über ihr. “Räum Dein Zimmer auf!” schrie die und sie zuckte zusammen. “Kannst Du nicht einmal in Deinem Leben etwas richtig machen?” Immer mehr Sätze prallten auf sie nieder. Und sie zuckte und duckte sich. Sie fühlte und spürte Erinnerungen aufpoppen, die keine Bilder hatten. Weil es dunkel war. Weil die Gefühle stärker waren. Weil es weh tat. Sie wollte sich einrollen. Die Decke über den Kopf ziehen. Verpuffen und verschwinden. Da spürte sie noch immer die Türklinke in ihrer Hand. Sie riss daran. Die Tür flog auf und sie lief zurück. Hinaus. Es wurde hell. Die Tür fiel ins Schloss. Und sie stand draußen auf dem Weg. Vor der Tür ins Nichts. Sie ließ die Klinke los und atmete. Nichts bewegte sich. Das ist meine Tür, dachte sie. Ich bestimme wer sie öffnet. Heute bleibt sie zu. Dann ging sie weiter und hinter der nächsten Abbiegung sah sie das Dorf.

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