Als ich begann, mich selbst zu lieben

Vor ungefähr einem Jahr war ich bei einer Coachingfrau, Gabi Nemetschek, eine Zauberin auf ihrem Gebiet. Weil ich wie so oft und immer wieder am selben Punkt im Leben angekommen war. Ich wollte da endlich drüber, weiter, raus aus der alten Spirale. Also saß ich auf ihrer gemütlichen Couch in ihrer Praxis und erzählte ihr lebhaft von meinem Problem. Und sie schaute mich an und lächelte und sagte dann: „Ich bin gern ganz ehrlich und gerade raus. Also darf ich?“ Ich ahnte, dass es weh tun würde, was da kam, aber ich nickte und sie sagte: „Du hast überhaupt keine Liebe für dich selbst in Dir. Da ist keine Wertschätzung Dir selbst gegenüber. Du bist nur streng zu Dir selbst. Und da liegt Dein eigentliches Problem.“

Ich hatte es geahnt. Es würde weh tun. Aber es war gut. Denn diese drei Stunden, die ich bei Gabi verbrachte, haben meine Sicht auf mich und die Welt sehr verändert.

Von diesem Tag an habe ich begonnen mich selbst ehrlicher zu sehen. Und zwar nicht nur das äußerliche mich, sondern vor allem das innere. Denn wenn wir davon reden in den Spiegel zu blicken und zu sagen: „Ich liebe dich so wie du bist.“ dann müssen wir uns dabei auch in die Augen schauen. Und bis dahin ist es ein weiter weg. Allein sich im Spiegel wirklich anzuschauen ist ein Schritt, den viele umgehen, indem sie den Fokus auf den Körper legen. Die Nase, die Haare, die Pickel. Und selbst wenn ihnen mal das gefällt, was sie da sehen, weil es ein guter Tag ist und gutes Licht und weil vielleicht die Nacht schlafreich war, dann ist es noch immer ein langer Weg hin sich selbst anzublicken und das innerliche Ich in den Arm zu nehmen.

Das liegt nicht daran, dass mit uns was nicht stimmt. Es liegt daran, dass wir das nicht gelernt haben. Als Babies wurden wir vielleicht geliebt und geherzt und gedrückt. Aber später haben wir dann angefangen, vieles falsch zu machen und so zu sein anstatt so. Immer wieder wurde uns gesagt, gern auch durch die Blume oder durch Noten, dass wir nicht richtig so sind und mehr so sein sollten. Das haben wir dann verinnerlicht und versucht uns anzupassen. Oder zu rebellieren. Jeder und jede auf seine oder ihre Art.

Und dann sind wir erwachsen und betrachten die Welt um uns herum. Wir bewerten, was wir nicht mögen und was uns nicht in den Kram passt. Wir fühlen uns als Opfer unserer Umstände und Lebenssituationen. Während wir ins Wahrheit alles in uns tragen, was wir brauchen. Wir suchen Liebe und Zuneigung. Wir suchen Bestätigung und Aufmerksamkeit. Wir suchen Lob und Wertschätzung. Aber es gibt nur eine Person, von der wir das als allererstes brauchen und das sind wir selbst.

Wenn wir uns selbst nicht lieben, nicht ernst nehmen, nicht wertschätzen – wie sollen es denn andere tun?

Wir glauben immer, dass es umgekehrt ist. Wenn uns andere lieben, dann können wir uns auch selbst lieben. Aber das führt zu einer Abhängigkeit von den Gefühlen und Gedanken anderer. Die tut uns auf lange Sicht nicht gut, sie tut nur weh irgendwann.

Ich habe also begonnen, mich selbst lieben zu wollen. Ich sage das so, weil der erste Schritt die Entscheidung ist. Denn Selbstliebe klingt nach Narzissmus oder spirituellem Zeugs. Viele glauben, wir müssten uns nur „Ich liebe mich“ auf einen Zettel schreiben, den an unseren Spiegel picken und geht schon. Aber nein, Selbstliebe ist eine lange Reise. Vielleicht aber eine der schönsten.

Louise Hay beginnt in ihrer Spiegelarbeit (so nennt sie die Arbeit vor dem Spiegel, in der ich lerne mich selbst zu lieben) mit dem Satz: „Ich möchte Dich lieben lernen.“ Und das finde ich sehr schön, denn es geht erst einmal viel einfacher über die Lippen als ein: „Ich liebe Dich.“ (was mir heute noch schwer fällt).

Aber mir zu sagen, dass ich es jetzt ernst meine und wirklich an mir arbeiten möchte mich selbst lieben zu lernen, finde ich eine wunderbare Absicht. Mit der habe ich begonnen und sie begleitet mich weiter. Seitdem entdecke ich immer mehr, dass der Mangel an Selbstliebe bei vielen Menschen ein grundlegendes Problem für viele „Scheinprobleme“ ist. Weil wir uns damit selbst klein machen, verstecken, die Schuld auf andere schieben, uns in der Opferrolle sehen und damit unser eigenes wirkliches Potenzial nie entfalten. In Wahrheit aber wollen wir doch alle mehr leben, uns mehr selbst erleben und Dinge tun, die uns gut tun, die uns Freude machen, die uns beglücken. Aber wir schaffen es nicht, weil wir uns selbst im Weg stehen.

Die gute Nachricht ist, dass wir sofort damit anfangen können. Die schlechte ist, dass es Zeit braucht und Geduld. Geduld mit sich selbst. Geduld mit den Erkenntnissen umgehen zu können, die dabei auftauchen. Denn natürlich kommen dadurch auch andere Dinge ans Licht. Wir erkennen Fehler, die wir gemacht haben, sehen die Wege, auf denen wir falsch abgebogen sind. Das dürfen wir uns verzeihen.

Für mich selbst hat sich vieles geändert seitdem ich mich auf diese Reise begeben habe. Ich stehe mehr zu mir selbst und den Dingen, die ich denke oder sage. Ich sehe klarer, sowohl zurück als auch nach vorn. Ich erlebe mich selbst intensiver. Ich lobe mich selbst mehr für die alltäglichen Dinge und habe dadurch viel mehr das Gefühl, dass ich wertvoll bin, so wie ich bin. Ich fühle mich als Mutter viel wertvoller. Ich bin genug als die Person, die ich bin. Nicht dadurch, dass ich mir das an die Wand schreibe, sondern dadurch, dass ich das wirklich glaube und fühle. Und das ist der Unterschied zwischen Affirmationszettelchen, die wir uns irgendwohin hängen und dem inneren Gefühl. Ich weiß, dass ich nicht perfekt bin und ich es auch nicht sein muss. Aber ich bin authentischer und mehr bei mir. Dadurch fühle ich mich freier und leichter.

Immer?

Nein, natürlich nicht. Ich habe mich ja auch nicht angemeldet für die Reise ins falsche Glück. Ich will nur mehr ich selbst sein. Und wenn ich traurig bin oder schlecht drauf, dann nehme ich das wahr und akzeptiere auch das. Ich überspiele diese Gefühle nicht und lenke mich nicht ab davon. Ich tauche hindurch und nehme sie an als Teil von mir. Ich frage auch nicht immer, wo sie herkommen. Sie sind da, sie gehören zum Leben. Und an den Tagen, an denen ich mich gut fühle, freue ich mich, dass es so ist. Und nehme auch das bewusster wahr. Denn auch das fehlt uns oft. Wir haben gute Tage und merken es gar nicht. Wir fokussieren zu sehr auf die schlechten. Wir sind als Mensch darauf getrimmt, das Schlechte länger im Bewusstsein zu halten, weil es früher überlebensnotwendig war. Heute brauchen wir das aber nicht mehr.

Wie wäre es, wenn du heute damit anfangen könntest dir zu sagen: Ich möchte lernen mich selbst mehr zu lieben. Oder zu akzeptieren. Mich so anzunehmen, wie ich wirklich bin. Und als diese Person im Leben zu stehen?

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Gabi Nemetschek

    Danke liebste Nadine, für diesen wunderschönen Text. Danke für Dich und Deine Entscheidung, Dich so zu lieben wie Du bist. Denn ganz genau so wie Du bist, bist Du wunderbar ❤️❤️❤️

    1. buntraum

      Danke Dir! Ich denke noch oft an unsere Sitzung zurück, sie war so augenöffnend. Danke Danke!

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