Im Kloster herrschte großes Chaos. Ein Mönch war verschwunden. Am Abend hatte man ihn noch langsam durch den Garten gehen sehen. So, wie es alle Mönche taten. Schritt für Schritt, langsam atmend. Einatmend Fuß heben, ausatmend Fuß absetzen. Er hatte sie oft beobachtet. Von seinem Küchenfenster aus. Und manchmal war er unsicher, ob sie den Fuß je wieder zu Boden bringen würden, ob sie je wieder Luft holen würden. Wie Störche stakste so mancher Gast hinterher, mit der Gehmeditation der Mönche noch nicht so recht vertraut. Dann wollte er am liebsten hinauslaufen und ihnen seinen Kochlöffel zwischen ihre steifen Haxen werfen und rufen: „Geh schleich Dich!“ Weil das echte Gehen, dieses buddhistische Gehen, dieses achtsame Zenwaten doch mehr mit Schleichen, als mit Staksen zu tun hatte. Und er als Wiener wollte beides nicht vor seinem Küchenfenster haben. Er wollte seine Ruhe und in dieser Ruhe seine Gerichte kochen, die diese Mönche dann mehr oder weniger achtsam und geduldig in sich hinein schaufelten. Das Kochen, das war seine Meditation. Für flamingohaftes Gehgestakse war da keine Zeit. Aber als gestern Abend dieser Mönch, dieser Tchi Tschan zum wiederholten Male vor seinem Küchenfenster mit seinen Beinen herumgestikuliert hatte, da hatte es ihm gereicht. Da hatte er ihn geschnappt und ihm kurzerhand mit der Bratpfanne eins über die rasierte Glatze gezogen. Es konnte ja keiner wissen, dass der gleich so flach liegt. Und dann lag er da vor seiner Küche herum. Vor seiner heiligen Küche. Ein Mönch, ein buddhistischer. Halleluja. Was tun also mit dem Mönch? Zur Vorratskammer hatte nur er einen Schlüssel und da würde ihn auch niemand hören, falls er dann doch mal über Nacht aufwachen würde. Also schliff er den eben noch schleichenden Mönch über den Gang, die Stiege hinunter in die Vorratskammer. Und da legte er ihm einen Sack Reis unter den Kopf. Er war ja kein Unmensch, der Koch. Aber was er nicht mochte, das war wenn jemand über sein Essen schimpfte. Und das hatte der Tchi Tschan getan. Mehrfach. Nicht beim Schleichen im Garten, aber beim achtsamen Abwaschen mit den anderen Mönchen. Und bei der Gartenarbeit. Und das hatte dem Koch nicht gefallen. Gar nicht gefallen. Deshalb nahm er nun noch eine große Dose Tomatensoße. So eine aus dem Großhandel, da ist ordentlich was drin. Die kippte er über den Mönch und da verbreitete sie sich schnell auf dem orangenen Gewand und gab eine recht schöne Farbkombination, wie der Koch fand. Und dann leerte er noch ein bisschen Mehl drüber, das gab dem ganzen eine winterliche Komponente. Ja der würde schon lernen, dass man nicht einfach so über das Essen des Kochs herzieht und ihm ständig beim Kochen vor dem Fenster herumstakst. Das würde der jetzt lernen. Und auch über den hinkenden Hund des Kochs lachte man nicht. Der war arm mit seinen drei Beinen, aber treu und nicht auszulachen. Der arme Joppe. Dann zog der Koch die Tür zur Vorratskammer zu, drehte den Schlüssel zweimal herum und der Küche und dem Kloster den Rücken. Eines Tages würde er ihnen den Schlüssel schicken. In einem Päckchen.