Tagein tagaus ging er die Straße entlang. Bei Regen, bei Schnee, bei Hitze und bei Hagel. Im Wintermantel, im weißen Rippenshirt, mit tiefgezogener Mütze, mit Sonnenbrille. Stets blieb er andächtig vor den drapierten Körpern im Fenster eines Nachtlokals stehen und bewunderte die verschmutzten Rundungen, die sich ihm boten. Heimlich, wenn niemand sonst zu sehen war, fuhr er sanft mit den Fingern darüber, schloss die Augen, seufzte leise. Dann schob er die Hände zurück in die Hosentasche und ging weiter. Daheim betrachtete er dann oft die Fotos von Karla. Strich wieder zart mit den Fingern darüber, seufzte leise.
Er hatte Karla in einer Bar kennengelernt und sie hatte damals nicht viel mehr getragen als die drapierten Frauenkörper im Fenster des Nachtlokals. Sie hatte ihn wie alle anderen angelächelt und doch ein bisschen anders. Er hatte sie sanft angeschaut, sie wie alle Männer es taten. Und doch ein wenig anders. Von da an war er ständig in dieses Lokal gegangen, es hatte seine Geldbörse stark ausgehungert, aber er konnte nicht anders. Und eines Tages war sie dann mit ihm hinaus gegangen und nie mehr zurückgekehrt. Seine Geldbörse hatte sich wieder erholt. Und sie hatte einen neuen Job gefunden, in dem sie mehr trug. Von da an zog sie sich nur noch für ihn aus, daheim, in ihrer Wohnung. Dreizehn Monate hatte ihr Glück gedauert. Dann hatte ein LKW sie erfasst, als sie mit seinem Fahrrad von der Arbeit zu ihm nach Hause fuhr. Es hatte ihn dann monatelang ganz wahnsinnig gemacht, weil er glaubte, dass sie auf dem Rad an ihn gedacht hatte und deshalb unachtsam gewesen war.
Nun lag ihr Körper verwest unter kalter Erde und alles, was an ihn erinnerte, waren die Fotos daheim und die kalten, drapierten Frauenkörper im Fenster des Nachtlokals. Er wusste nicht, ob er je wieder eine Frau so berühren könnte und so beließ er es bei den täglichen Spaziergängen auf der Berggasse.