Sie fuhr mit dem klapprigen Leihrad oben auf der Düne entlang. Die Herbstsonne wärmte sie noch mit aller Kraft, aber der Wind war beharrlich und wehte ihr den Schal fester um den Hals. Sie hatte die See die ganze Zeit im Blick, wenn sie diesen vom holprigen Sandweg hob. Hin und her huschten ihre Augen. Verloren sich aber mehr und mehr in den geradlinigen Fahrradspuren vor ihr. Ein Wettrennen mit ihren Gedanken, die längst einen Gang höher geschaltet hatten und davoneilten. Sie raste hinterher. Auf den Spuren der anderen, die hier heute vor ihr den Weg geradelt waren.
Dann sah sie einen Strich. Quer über den Weg gezogen hatte er alle Spuren durchtrennt. Einfach mitten durch. Kraftvoll und bewusst. Der Spur einfach die Luft genommen. Sie bremste und blieb stehen. Was hatte das zu bedeuten? Wer hatte das getan? Und warum? Sie schaute sich um. Es war niemand zu sehen. Vor ihr nicht und hinter ihr auch nicht. Noch niemand hatte diesen Strich durchfahren bisher.
Sie überlegte. Eine Warnung? Sollte sie umkehren? Sollte sie das Rad weiter schieben? Zurück und abbiegen bis hinter zur Hauptstraße und dort weiter fahren? Doch der Weg hier oben auf der Düne war am schönsten. Ruhig und doch die See im Blick. Von der Sonne getragen. Und dann traute sie sich. Wer sagte denn, dass der Strich ihr galt. Dass hier wirklich der Weg eine Wendung nehmen musste? Dass sie nicht weiter durfte, dem Ruf ihrer Gedanken, dem Antrieb ihres Herzens nicht folgen sollte? Hatte sie das nicht zu oft im Leben getan? Bei der ersten vorsichtigen Ahnung innehalten, einhalten, bremsen und absteigen? Den sicheren Weg nehmen?
Kraftvoll trat sie in die Pedale. Durchkreuzte mit ihrer Spur den Strich. Blickte zurück und lächelte zufrieden. Sie blickte auf die See und strahlte. Fuhr mit neuem Elan und neuer Energie. Und als der Weg sich nach einigen Biegungen und holprigen Wendungen dem Ort näherte, holte sie eine Familie ein. Eine Frau, ein Mann und ein kleiner Bub mit einem großen Stock in der Hand.